Nachbarschaftsecht
Nachbarrecht: Wann ist in Thüringen eine Hecke auch im Rechtssinne eine Hecke?
Das ist nicht ganz einfach zu beantworten. Und die Antwort kann dank der föderalen Struktur der Bundesrepublik auch in jedem Bundesland unterschiedlich ausfallen. Die Antwort ist jedoch für einen Thüringer nicht unwichtig, denn für Hecken gelten in Thüringen andere Grenzabstände als für einzeln stehende Bäume und Sträucher. Die Grenzabstände sind von der Höhe der Hecke abhängig. Hecken
bis 1m Höhe können bis 0,25 m,
bis 1,5 m Höhe können bis 0,50 m,
bis 2 m Höhe können bis 0,75 m
Abstand von der Grenze gepflanzt werden. Für die über 2 m hohen Hecken ist das Maß von 0,75 m plus das Maß der Mehrhöhe über 2 m einzuhalten. Ausnahmen und Besonderheiten regelt § 46 ThürNRG.
Also steht die Frage, was ist eine thüringer Hecke?
Ein Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.
Maßgeblich ist das Thüringer Nachbarrechtsgesetz. § 44 legt Grenzabstände für Bäume und Sträucher fest, § 45 bestimmt Grenzabstände für Hecken. Das Gesetz sagt:
„Hecken…sind Schnitt- und Formhecken, und zwar auch dann, wenn sie im Einzelfall nicht geschnitten werden“
Diese Legaldefinition hilft dem Thüringer nicht so sehr viel weiter.
Deshalb verhelfen uns Gerichtsurteile und Kommentatoren zu weiterem Erkenntnisgewinn.
a) Der Kommentar Bauer/Schlick/Hülbusch 5.Aufl. 2008 zum Thür. Nachbarrechtsgesetz bringt lobenswerter Weise ein wenig Erhellung. Er hat den Stand der Rechtsprechung bundesweit berücksichtigt und ihn im Einzelnen zu einer schlüssigen Kommentierung des Willens unseres Landesgesetzgebers zusammengeführt. Dort wird zu § 45 unter Rdnr 2 ausgeführt:
„Hecken sind Gruppen gleichartig wachsender…Gehölze, die auch mit unregelmäßigen Abständen in langer schmaler Erstreckung miteinander verbunden sind. Wesentlich ist die Geschlossenheit der Pflanzkörper unter sich und der Verbund zu einer wandartigen Formation….“
Was lehrt uns das? Es kommt nicht auf einen bestimmten oder einen gleichmäßigen Abstand der Gehölze an. Entscheidend ist der Eindruck der Geschlossenheit.
Der Charakter einer Schnitthecke bleibt nach Auffassung der Kommentatoren auch dann erhalten, wenn sie nicht mehr geschnitten wird oder Ausdünnungen zum Boden hin entstehen, wodurch die Eigenschaft des Sichtschutzes verloren geht. Ausdünnungen sind hier in dem Sinne zu verstehen, dass die unteren Zweige absterben und somit lichte Stellen entstehen.
b) Dies ist schon ein gewisser Erkenntnisgewinn.
Ein Blick in die Vergangenheit, nämlich auf den Zeitpunkt der Erstpflanzung bringt weitere Aufklärung.
Der Kommentar a.a.O. Rdnr. 3 äußert sich wie folgt:
„Bei einer Erstpflanzung kommt es darauf an, ob sie so erfolgt, dass die mehreren Pflanzen eine Hecke bilden sollen und dass sie das bei weiterem Wachstum auch können. Weder brauchen die Einzelpflanzen so dicht nebeneinander zu stehen, dass ein heckenartiger seitlicher Schluß erzielt wird, noch müssen sich die Seitentriebe der Jungpflanzen …berühren.
Also: Der pflanzende Mensch muß subjektiv den Willen haben, einen Sichtschutz oder eine Einfriedung zu erzeugen und die Pflanzen und deren Pflanzabstände müssen objektiv dazu in der Lage sein, einen geschlossenen Verbund durch Wachstum zu erzeugen.
So nun wissen wir, was eine Hecke sein soll oder kann.
c) Und nun noch die Prüfung ala ́ Günter Jauch im Ausschlussverfahren:
Betrachten wir die Sache also andersherum, nämlich wann erlangt die Gehölzreihe nicht die Privilegien einer Hecke?
Dazu sagen uns die o.g. Kommentatoren das Folgende.
Ist jedoch bereits bei der Anpflanzung…im Hinblick auf die Pflanzenart und die Pflanzweise erkennbar, dass sich daraus niemals eine Hecke … entwickeln kann, so gelten die Grenzabstände“ für Bäume. „Verliert die Hecke durch Ausdünnung ihren bisherigen Charakter, ist § 45 nicht mehr anwendbar, die Bäume oder Sträucher müssen nunmehr die Abstände nach § 44 einhalten.“
Ausdünnungen sind hier insbesondere das Entfernen von ganzen Pflanzen, so dass die Geschlossenheit nicht mehr besteht.
d) Was lehrt und das?
Es gibt keinen gesetzlich normierten Abstand zwischen den einzelnen Gehölzen und keine Höhenbegrenzung. Diese sind also nicht relevant für die Antwort auf die Frage, was eine thüringer Hecke ist.
Maßgeblich dafür, dass sich eine Gehölzreihe im Freistaat berühmen kann, eine Hecke zu sein, ist die Geschlossenheit/der Verband der Gehölze. Diesen zu erreichen, muß bereits bei der Anpflanzung gewollt sein und durch Wachstum möglich werden. Der Heckencharakter kann durch späteres Ausdünnen verloren gehen, wenn hierdurch die Geschlossenheit/der Verband nicht mehr gegeben ist.
Nun mag sich der Thüringer nicht mit dem Zollstock sondern mit scharfem Blick und gesundem Menschenverstand der nachbarlichen Gehölzreihe zuwenden und frei von allen Emotionen entscheiden:
Heckenprüfung bestanden oder durchgefallen.